Leseprobe
Ein bisschen was für Neugierige
Um sich von den Sorgen, um Frieda abzulenken, dachte sie darüber nach, was sie alles über Schwarzerlen so wusste. Zum Beispiel, dass diese Baumart zu den Birken gehört und gut dreißig Meter hoch werden kann. Man nennt sie auch kurz Eller oder Else. Und wenn man ihr Holz anschneidet, färbt es sich sofort rot. Man sagt dazu „Bluten“. Dieser Baum wird ganz entspannt mehrere hundert Jahre alt. Am liebsten wächst sie an sehr nassen, moorig-sumpfigen Gegenden. Da solche Umgebungen aber oft gruselig wirken, bringt man sie gerne in Zusammenhang mit Hexen, die das Erlenholz für Ihre Zaubereien benötigen. Mit dem Holz können sie zum Beispiel das Wetter beeinflussen.
Sogar der Teufel selbst soll seine Großmutter mit Erlenholz verprügelt haben, weshalb es seitdem rot gefärbt ist.
Schon früh entstand der Spruch: „Rotes Haar und Erlenloden – wachsen nicht auf gutem Boden.“
Man behauptet sogar, dass man dem Teufel mit Erlenholz eine ordentliche Tracht Prügel verabreichen könne. Ebenso wird ein Wechselbalg geschlagen und vertrieben.
Sie musste zugeben, dass sie ganz schön viel über diese Bäume wusste. Das hatte sie selbst nicht erwartet. Wären ihr nur zwei oder drei Dinge dazu eingefallen, wäre Sie bereits stolz auf sich gewesen. Aber, dass es gleich so viele sind, nein, das hatte sie wahrlich nicht gedacht.
Eine große, schwarze Gestalt, die in einen schwarzen Mantel gehüllt war, löste sich aus dem Schatten der Eibe. Ein schwarzer Hut verdunkelte sein Gesicht. Man konnte lediglich, die weißen, scharfen Zähne sehen, als er mit gefährlich, schmeichelnder Stimme sprach: „Willst du das hier haben?“, dabei hielt er einen Rucksack lässig über den klauenartigen Fingerspitzen, ein Stück weit über Michaels Kopf baumelnd. Dieser stand vorsichtig auf und ging rückwärts, das Wesen fest im Blick, zu seinen Freunden.
Lotte erkannte den Rucksack sofort: „Der gehört Frieda.“, flüsterte sie leise.
Die Gestalt wuchs an und beugte sich bedrohlich von oben über die Gruppe.
„Frieda, sagst du.“, hauchte es knurrend und fletschte die Zähne dabei, die glitzernd von oben herab funkelten. Ein Speichelfaden tropfte gierig hinab und wäre Martin beinahe auf das Gesicht gefallen, wäre er nicht selbstsicher zur Seite gegangen.
Michael und Martin schoben sich tapfer vor Lotte.
„Du kennst den Namen wohl?“, gab Martin zurück, der seinen ganzen Mut brauchte, sich aber nichts anmerken ließ.
„Wer weiß.“, spielte das Schreckensgespenst mit ihnen und kicherte dabei bösartig.
„Woher hast du den Rucksack?“, fragte Lotte harsch.
Dieses Wesen zog sich kurz von ihnen zurück, nur um sich um sie herum von hinten her wieder aufzubauen. Der Unheimliche war jetzt ganz nah an Lotte, fast schon berührte es ihren Hals mit seinem Gesicht. Sie drehte sich so, dass sie dem Finsteren gegenüber stand.
„Also, woher hast du den Rucksack?“, wiederholte sie fest ihre Frage. Sie wollte endlich Antworten und von wem sie diese bekam, war ihr gerade ganz egal. Sie wollte sich nicht einschüchtern lassen.
„Das möchtest du wohl wissen?“, antwortete er ihr in einem schauderhaften Ton, während er mit seinen langen Klauen an den Trägern des Rucksackes spielte. Als müsse er unterstreichen, wie gefährlich er ist, durchtrennte er mit nur einem Fingernagel, einen der beiden Riemen.
„Ja.“, stellte sie sich ihm entgegen.
Martin und Michael überlegten, was sie unternehmen konnten, um diese überaus bedrohliche Lage zu entschärfen. Doch gegen solch ein flüchtiges Wesen, durch das man hindurch griff, wie durch Nebel, waren sie nicht gerüstet. Was also konnten sie tun? Es war entsetzlich, wie viel Bösartigkeit dieser Unhold ausstrahlte. Ganz gleich, wie man sich zu ihm stellte, er war irgendwie überall, ja sogar überall zugleich. Die Lage spitzte sich auf unheilvolle Weise zu. Dieses Wesen spielte mit ihnen, das war klar. Sie waren die Beute und der Jäger harrte gefährlich umschmeichelnd auf den Höhepunkt, da er zuschlagen würde. Die Luft knisterte vor lauter aufgestauter Spannung und jeder der drei Freunde konnte es auf seiner Haut und in seinem Leib spüren, wie die Feindseligkeit kurz vorm Bersten war.
„Halt dich zurück, du unverfrorener, böser Geist!“, sagte eine frauliche Stimme. Sie war voll Freundlichkeit und Leichtigkeit.
„Wickenweib, geh deines Weges!“, versuchte der Unheimliche die weibliche Stimme abzuweisen.
Die Nacht verstrich ohne besondere Vorkommnisse. Erst ein leises Trappeln auf dem Dach weckte Lotte am frühen Morgen. Was war das? Mit geschlossenen Augen überlegte sie, woran sie das Geräusch erinnerte. Es hörte sich an, als ob kleine Füße darauf laufen würden. Während sie herzhaft gähnte und sich, trotz des beengten Raumes, bestmöglich streckte, blinzelten ihre Lider. Der aufgehende Tag war noch ein wenig zu grell für sie.
„Ein Marder?“, flüsterte Martin von hinten.
Lotte war über seine Stimme so überrascht, dass ihr fast das Herz in die Hose sackte. Sie griff sich mit der flachen Hand an die Brust.
„Entschuldige.“, kichere er betont leise.
Lotte hatte den Schreck schnell verdaut. „Meine Güte, ich habe nicht gewusst, dass du wach bist. Gut möglich, dass es ein Marder oder ein anderes kleines Tier ist. Aber, was macht es da oben?“, flüsterte auch Lotte, schließlich wollte sie Michael nicht wecken, da er als Fahrer die meiste Ruhe brauchte.
Während sie gemeinsam überlegten, lauschten sie dem seltsamen Geräusch über sich. Leise tuschelnd, beschlossen sie einen gemeinsamen Plan:
Ganz langsam und so leise wie irgend möglich zogen sie vorsichtig den Türöffner. Das zarte Klacken ertönte gleichzeitig. Da die Geräusche noch immer andauerten, warfen Martin und Lotte sich einen kurzen Blick zu. Mit zitternden Händen drückten sie die Wagentür immer weiter auf, aber nur gerade so weit, bis der Spalt gerade ausreichte, als dass sie hindurchschlüpfen konnten. Zum Glück hatte Michaels Wagen gut geschmierte Scharniere, sodass nichts knarrte oder quietschte, wodurch ihre Aussichten auf ein erfolgreiches Unterfangen deutlich erhöht waren. Ihr Herz schlug stark vor Anspannung, als sie sich fast lautlos aufrichteten. Aber nur so weit, dass sie gerade eben über das Wagendach spähen konnten.
Willkommen
Nutzt gern die QR-Codes, um
meine Social-Media-Kanäle zu
entdecken, mir zu folgen oder zu
teilen.
Natürlich könnt ihr die QR-Codes auch anklicken, um weitergeleitet zu werden.
Ich möchte die Möglichkeit
nutzen, mich und meine
Geschichten vorzustellen.
Gern könnt Ihr mir schreiben