Gruselige Märchenfiguren der deutschen Folklore

Von Rumpelstilzchen zur wilden Jagd

Gruselige Märchenfiguren: Von Rumpelstilzchen bis zur Wilden Jagd









Gruselige Märchenfiguren der deutschen Folklore

Gruselige Märchenfiguren machen Märchen zu weit mehr als harmlose Geschichten fürs Kinderzimmer. Besonders die deutschen Volksmärchen zeigen sich oft überraschend düster und sind geprägt von unheimlichen und gruseligen Gestalten. Diese Figuren faszinieren bis heute, weil sie tief verwurzelte Ängste zum Ausdruck bringen und gleichzeitig durch fantastische Elemente ihre Wirkung entfalten. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die dunklen Seiten der deutschen Folklore – von Rumpelstilzchen über die Wilde Jagd bis hin zu geheimnisvollen Winterfrauen – und beleuchten ihre historischen und psychologischen Hintergründe.

In diesem Artikel erwartet dich:

Gruselige Märchenfiguren: Das Unheimliche im Märchen

Rumpelstilzchen – Der dämonische Namenlose als gruselige Märchenfigur

Die Wilde Jagd – Das Geisterheer der Nacht

Butzemann (auch Nachtgiger) – Der Kinderschreck im Dunkeln

Frau Perchta und Frau Holle – Winterfrauen als gruselige Märchenfiguren

Der Erlkönig – Tod als Verführer

Der Feuermann – Zwischen Licht und Verdammnis

Weitere düstere und gruselige Märchenfiguren aus der deutschen Folklore

Fazit: Gruselige Märchenfiguren der deutschen Folklore

Gruselige Märchenfiguren: Das Unheimliche im Märchen

Nicht nur tapfere Helden und edle Prinzessinnen sind die Themen der Märchen, sondern auch Verlust, Angst und Bedrohung. Diese düsteren Elemente hatten in vormodernen Gesellschaften eine klare Funktion: Sie dienten der Warnung vor realen Gefahren, der Vermittlung sozialer Normen und der Erklärung des Unbekannten. Figuren wie Geister, Dämonen oder Kobolde waren nicht bloß Schreckgespenster, sondern symbolisierten oft psychische oder gesellschaftliche Spannungen. Märchen bewegen sich stets zwischen Realität, Mythos und Fantasie – gerade darin liegt ihre bleibende Faszination und zeigen, warum Märchen auch heute noch für Kinder wichtig sind.

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Rumpelstilzchen – Der unheimliche Namenlose als gruselige Märchenfigur

Zu den bekanntesten gruseligen Märchenfiguren der grimmschen Märchenwelt zählt Rumpelstilzchen. Seine Geschichte ist geprägt von einer bedrohlichen Forderung, übernatürlichen Kräften und dem hohen Preis für Unachtsamkeit. Das Unheimliche an Rumpelstilzchen ist seine Macht, die sich an seinen Namen bindet: Wer seinen Namen kennt, gewinnt Kontrolle über ihn. Dies ist eine uralte Vorstellung aus der Magie, die zeigt, wie zentral Identität und Geheimnisse sind.

Wenn auch ursprünglich als Zwerg oder Hausgeist entstanden, steht Rumpelstilzchen als Figur zwischen Kobold, Dämon und Trickster – ein Wesen, das Regeln bricht, dunkle Verträge anbietet und dabei stets auf seinen Vorteil bedacht ist. Dabei ist der Begriff „dämonisch“ eher metaphorisch zu verstehen und sollte nicht mit einem teuflischen Wesen verwechselt werden. Auch, wenn der Handel um das Kind an klassische Teufelspakte erinnert. Am Ende scheitert er an seiner Selbstüberschätzung: Sein Wutausbruch und die Selbstzerstörung sind Sinnbild für den Verlust von Kontrolle und die Entlarvung des Bösen, das seine Macht überschätzt hat.

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Die Wilde Jagd – Das Geisterheer der Nacht

In ganz Mitteleuropa ist die Wilde Jagd ein überliefertes mythologisches Motiv: ein gespenstisches Geisterheer, das in stürmischen Nächten durch den Himmel jagt, begleitet von Lärm, Hundegebell und wilden Schreien. In vielen Varianten wird die Jagd von Figuren wie Wotan (Odin) oder regionalen Sagengestalten wie Frau Holle oder Frau Perchta angeführt. Totengeister, dämonische Jäger wie Hans Hackelnberg oder historische Figuren wie Dietrich von Bern (einer in der Volkssage später mythisch überhöhten Gestalt), begleiten sie durch Wälder, Moore, Felder und Dörfer hinweg. Wer der wilden Jagd begegnet, soll sich flach auf den Boden werfen, um nicht mitgerissen zu werden. Auch sprechen oder lachen während ihres Vorbeizugs kann mit dem Tod bestraft werden. Eisen, ein weißes Tuch oder geweihte Kreide sollen einen während der Begegnung schützen.

Die Wilde Jagd galt als Vorzeichen für Unheil, Tod oder den Durchbruch der Geisterwelt in die Menschenwelt – besonders während der Raunächte (zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag), einer Zeit des Übergangs zwischen den Jahren und Welten. Ihre Deutung schwankt zwischen göttlichem Gericht, Naturgewalt und unerlösten Seelen. Verwandte Motive sind das „Wütende Heer“, der „Perchtenzug“ oder „Wodans Heer“.

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Butzemann (auch Nachtgiger) – Der Kinderschreck im Dunkeln

Der Butzemann, in manchen Regionen auch Nachtgiger genannt, ist eine Gestalt aus Kinderliedern und volkstümlichen Erzählungen und weniger eine gruselige Märchenfigur, die vor allem dazu diente, unartige Kinder zu erschrecken. Er wird meist als dunkle, gesichtslose Figur dargestellt, die sich in Schränken, unterm Bett oder dunklen Ecken verbirgt. Einige Kinder „zwickt“ oder „kratzt“ er im Schlaf, macht sie krank oder verursacht Albträume, dies kann je nach Region unterschiedlich sein. Besonders unartige Kinder fängt er in seinem Sack und bringt sie in den Wald, in die Dunkelheit oder zu sich nach Hause. Ob und was er dort mit den Kindern macht, bleibt häufig offen – genau darin liegt sein größter Schrecken. Seine Funktion war pädagogisch: Er sollte Gehorsam erzwingen und nächtliche Ängste kanalisieren. Als kulturelle Projektion kindlicher Urängste zeigt der Butzemann, wie stark die Angst vor dem Unbekannten in traditionellen Erziehungsmustern verankert war.

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Frau Perchta und Frau Holle – Winterfrauen als gruselige Märchenfiguren

Sie gehören zu jenen ambivalenten weiblichen Sagengestalten, die fürsorgliche wie strafende Aspekte vereinen. Frau Perchta und Frau Holle gelten in der Forschung als mögliche Spuren vorchristlicher Fruchtbarkeits- oder Wintergottheiten, auch wenn es keine archäologischen oder schriftlich gesicherten Belege für einen direkten Kultzusammenhang gibt. Vieles basiert auf den rekonstruktiven Theorien der Volkskundler des 19. Jahrhunderts – allen voran Jacob Grimm – sowie späteren Esoterik-Kreisen.

Zwischen Fürsorge und Strafe: Frau Holle und Frau Perchta

Frau Holle erscheint als belohnende, mütterliche Figur – insbesondere in der grimmschen Adaption. Doch in einigen regionalen Sagen zeigt sie als gruselige Märchenfigur ein ganz anderes Gesicht: Dort tritt sie als zahnlose alte Frau mit struppigem Haar auf, manchmal sogar als verwachsene, riesenhafte Gestalt oder weist tierische Züge auf. Ihr Kommen wird von Klopfen, Poltern und wetterartigen Erscheinungen begleitet – eine Figur, die stark an die „wilde Frau“ oder an archaische Hexengestalten erinnert. Nimmt man die vorchristlichen Mythen hinzu, wird vermutet, dass Frau Holle in ihren urtümlichen Formen auch Züge einer Totengöttin oder Hüterin der Unterwelt getragen haben könnte. In einigen Überlieferungen führt sie die Seelen der Verstorbenen oder wacht über sie. Ihre enge Verbindung zu den Raunächten unterstreicht ihre Rolle als Schwellenwesen zwischen Leben und Tod.

Hingegen tritt Frau Perchta strenger und bedrohlicher auf. Ihr wird nachgesagt, Faulheit zu bestrafen, indem sie, insbesondere in alpinen Überlieferungen, den Bauch aufschneidet und mit Stroh oder Steinen füllt. Sie zeigt sich in der Überlieferung in zwei gegensätzlichen Gestalten: mal als schöne, leuchtend weiße Winterfrau, mal als hagere, schaurige Alte mit zerlumptem Kleid und runzligem oder tierischem Gesicht, Gänsefüßen oder gar aufgeschlitztem Bauch. In dieser düsteren Form trägt sie oft ein Messer oder eine Spindel und prüft, ob in den Raunächten Ordnung herrscht. Sie kommt durch den Rauch, tritt durch Schlupflöcher und besucht die Häuser. Wer faul war, nicht gesponnen oder verbotene Arbeiten verrichtete, dem drohte sie grausame Strafen an.  Diese ambivalente Darstellung verweist auf ihre Herkunft aus vorchristlicher Zeit, als sie als Totengöttin oder Richterin über das Schicksal galt. Ihr tierisches Aussehen und ihre unheimliche Macht, machen sie zu einer der furchteinflößendsten Wintergestalten der Folklore.

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Der Erlkönig – Tod als Verführer

Eine besonders eindrückliche Figur deutschsprachiger Literatur ist der Erlkönig, der durch Johann Wolfgang Goethes gleichnamiger Ballade von 1782 populär geworden ist. Die Figur des Erlkönigs geht auf die dänische Volksballade „Ellerkonge“ – eine Nebenform von „Elverkonge“, also „Elfenkönig“ zurück. In dieser wird ein Mann von einem Elfenmädchen verführt und stirbt. Johann Gottfried Herder übersetzte diese Ballade ins Deutsche. Das Wort „elle“ kann als „Erle“ oder „Elfe“ fungieren. Es ist nicht klar, ob es sich um einen Übersetzungsfehler handelt oder ob Herder den Begriff bewusst gewählt hat. Möglich wäre eine mythologische Idee: Elfen hielten sich an feuchten Orten auf, an denen Nebel entsteht und bevorzugt Erlen wachsen.

Goethe griff diesen Begriff auf und schuf daraus eine bedrohliche Verkörperung des Todes: eine mysteriöse Gestalt, die ein krankes Kind mit schmeichelnden Worten ins Jenseits lockte. Der Vater erkennt die Gefahr nicht – für ihn ist alles Einbildung durch den Fieberwahn, in dem sich der Junge befindet. Die Ballade spielt mit der Unsicherheit zwischen Realität und Wahn, zwischen rationaler Wahrnehmung und übersinnlicher Bedrohung – ein zentrales Motiv der Romantik, das existenzielle Ängste aufgreift und verdichtet.

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Der Feuermann – Eine gruselige Märchenfigur zwischen Licht und Verdammnis

Er wird mancherorts mit dem Irrlicht gleichgesetzt, erscheint jedoch in anderen, selteneren Überlieferungen als eigene, personifizierte Gestalt. Als Irrlicht erscheint er als flackerndes Licht in Mooren oder Wäldern. Es gilt als Verführer, der Wanderer vom rechten Weg abbringt. In vielen Regionen ist er ein Symbol für die Orientierungslosigkeit oder für die Gefahren der Natur in der Nacht.

In einigen Überlieferungen erscheint der Feuermann nicht bloß als Lichtschein oder Irrlicht, sondern als leibhaftige, brennende Gestalt – ein Flammenmann oder mit loderndem Haar, glühenden Augen und sengendem Atem. Er bewegt sich lautlos oder zischend durch die Nacht und Moore, oft begleitet von Rauch oder Schwefelgeruch. Dann verbreitet er Schrecken durch seine furchteinflößende Gestalt. Im Märchen „Die Regentrude“ von Theodor Storm stellt der Feuermann den Gegenspieler der Regentrude dar, der für Trockenheit und Dürre verantwortlich ist. Zudem erscheint er in einigen Sagen als Rächer von Unrecht und Ungehorsam, Flüchen oder Tabubrüchen. 

Er wirkt moralisch korrektiv, ähnlich wie Frau Perchta oder der schwarze Mann. Seine Bewegungen sind oft übernatürlich schnell, seine Hitze unausweichlich. Der Kontakt mit ihm kann zu Verbrennungen, Fieberträumen oder dem Tod führen – dies macht ihn in einigen Erzählungen zur Verkörperung von Strafe ohne Fluchtmöglichkeit. Zudem erscheint der Feuermann häufig an gefährlichen Orten, die man besser meiden sollte. Dazu gehören Moore, Sümpfe oder abgelegene Wälder. Hier warnt er als eine Art „Schutzmechanismus“ vor lebensbedrohlichen Umgebungen.

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Weitere düstere und gruselige Märchenfiguren aus der deutschen Folklore

Neben den bekanntesten Märchen- und Sagengestalten kennt die deutsche Folklore zahlreiche weitere Wesen, die Ängste und moralische Vorstellungen verkörpern:

Der schwarze Mann:

Eine oft schattenhafte, undefinierte Figur, die in Kinderreimen und Volkssprüchen als Schreckgestalt dient. Historisch lässt sich seine Herkunft schwer fassen; seine Funktion lag meist in der Disziplinierung und Abschreckung. Als Kinderschreck ist er oft verbunden mit der Nacht, Dunkelheit oder sozialen Außenseitern. Er symbolisiert oft Dunkelheit, Strafe und das Unbekannte – nach der modernen Auffassung steht er auch für eine soziale Ausgrenzung.

Der Wassermann: Gruselige Märchenfigur der Gebrüder Grimm

Ein bedrohliches Wesen aus Flüssen und Seen, das mit dem Tod durch Ertrinken in Verbindung gebracht wird. Auch das Märchen der Gebrüder Grimm zeugt davon. Er entführt ein kleines Mädchen und zwingt sie, für ihn zu arbeiten. Erst nach vielen Jahren gelingt ihr die Flucht. Der Wassermann symbolisiert die Gefahren der Natur und diente als Warnung vor dem Wasser – besonders für Kinder.

Die Hexen vom Brocken:

In der Walpurgisnacht versammeln sich laut der Legenden Hexen auf dem Brocken im Harz, um mit dem Teufel zu feiern. Diese Darstellung geht auf die frühneuzeitliche Dämonisierung zurück, in der die Vorstellung eines Teufelspakts zur Legitimation der Hexenverfolgung diente. Populär wurde der Brocken als konkreter Versammlungsort durch die Literatur. Historisch gibt es jedoch Belege dafür, dass die Menschen ab dem Spätmittelalter an Hexenversammlungen auf dem Brocken glaubten.

Diese Figuren zeigen, wie tief die Angst vor dem Unbekannten und dem Übersinnlichen in der Volksseele verwurzelt ist.

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Fazit: Gruselige Märchenfiguren der deutschen Folklore

Die unheimlichen Figuren der deutschen Märchen- und Sagenwelt sind weit mehr als überlieferte Gruselgeschichten. Sie spiegeln kollektive Ängste, moralische Vorstellungen und eine enge Verbindung zur Natur- und Erfahrungswelt vergangener Gesellschaften wider. Ob Rumpelstilzchen, die Wilde Jagd oder Frau Perchta – sie alle bieten Zugang zu einer symbolischen Welt, in der Ordnung, Macht und Transzendenz verhandelt werden. Ihre Faszination hält bis heute an, weil sie existenzielle Fragen berühren und als Teil des kulturellen Gedächtnisses unsere Vorstellungskraft anregen und bewahren.

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